Nilüfer Cetinkaya hat als Agile Coach den Neuanfang gewagt. An ihrer Seite: Expert:innen für Agilität wie Khatereh Tadj. Gemeinsam gestalten sie die agile Transformation bei ista. Hier erzählen sie, was dadurch im Unternehmen in Bewegung kommt.
„Ich bin ins kalte Wasser gesprungen“, sagt Nilüfer Cetinkaya. Seit einigen Monaten unterstützt die 43-Jährige als Agile Team Coach Kolleg:innen bei ihrer Arbeit in neu definierten Workflows und Strukturen. Ihren Job im IT-Bereich hat sie aufgegeben, um eine Aufgabe in der neuen agilen Organisationsstruktur zu übernehmen. Leicht fiel ihr diese Entscheidung nicht: „Das Neue hat mich gereizt und die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Aber ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Unter ‚agilen Arbeitsweisen‘ konnte ich mir anfangs nicht viel vorstellen.“ Doch die Aussicht, im Zweifel auf die alte Position zurückgehen zu können, gab ihr genug Rückendeckung, um den Sprung zu wagen.
Plötzlich Agile Coach – wie gelingt so ein Neustart? „Die erste Zeit war sehr intensiv“, erinnert sich Nilüfer Cetinkaya. „Bis ich die Prozesse verstanden hatte, das Framework, den Sinn dahinter, habe ich schon meine Zeit gebraucht.“ Denn die agile Arbeit sei anders getaktet, bringe eigene Rollen und Abläufe mit sich. Und neue Vokabeln: Teams heißen auf einmal „Squads“, mehrere davon bilden einen „Tribe“, und auf der Visitenkarte mancher Kolleg:innen steht jetzt: „Product Owner“. – „Ich habe nicht nur neue Begriffe gelernt, sondern ganz neue Werte und Prinzipien der Zusammenarbeit kennengelernt.“
Ein Grundbaustein der agilen Arbeitsweise bei ista ist die Scrum-Methode: Im Mittelpunkt steht das Kundenbedürfnis, interdisziplinäre Teams oder „Squads“ leiten daraus ihre Ziele ab und organisieren sich weitgehend selbst. „Dabei kann es sein, dass ein Business Analyst und eine Programmiererin oder ein SAP-Experte und eine Prozessmanagerin gemeinsam die nächsten Schritte planen und dabei ungeahnte Synergien entdecken“, erklärt Nilüfer Cetinkaya. „Unsere Squads sind viel diverser als die früheren Teams. Ich unterstütze sie bei ihrer Arbeit und fokussiere sie wieder auf das eigentliche Ziel, falls sie sich in Details verlieren.“
Zum 1. Juli 2022 hat ista die Zusammenarbeit im Essener Head Office komplett neu organisiert. Fast alle Bereiche, darunter Hardwareentwicklung, Dienstleistungen, Business und Management, arbeiten seitdem agil. Weitere Teile des Unternehmens sollen folgen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass die Arbeit in kurze Zyklen eingeteilt wird, die sogenannten Sprints, erläutert Khatereh Tadj. Die 41-Jährige hat den Wandel bei ista als Agile Enterprise Coach mit vorbereitet. „Die Umstellung auf agiles Arbeiten bedeutet, iterativ vorzugehen und komplexe Projekte in Einzelschritte zu unterteilen“, erklärt sie. „Das heißt, bei einem Arbeitszyklus von zwei Wochen entsteht alle zwei Wochen ein Arbeitsergebnis, egal in welcher Form.“
In der Regel ist dieses sogenannte Sprintziel ein respektables Zwischenergebnis auf dem Weg zum eigentlichen Ziel. Und hier kommt das zweite Kernelement der agilen Methode ins Spiel: die zentrale Ausrichtung am Feedback von Kunden und/oder internen Nutzern. „Kundenzentrierung ist das A und O, sagt Khatereh Tadj. „Und wie können wir kundenzentriert sein? Indem wir die Kunden aktiv in unseren Entwicklungsprozess einbeziehen. Alle zwei Wochen gibt es in Review-Meeting, in wir die Kunden und/oder Stakeholder einladen, um ihnen zu zeigen: In diesen zwei Wochen haben wir das erreicht. Was sagt ihr dazu?“
Diese Rückkopplung an die Bedürfnisse von Kunden und externen oder internen Stakeholdern stärkt auch die Motivation der Mitarbeiter:innen, sagt Nilüfer Cetinkaya. Denn im besten Fall führen kürzere Feedbackschleifen auch häufiger zu Erfolgserlebnissen: „Wenn man regelmäßig die Bestätigung erhält, auf dem richtigen Weg zu sein, besteht nicht die Gefahr, monatelang im stillen Kämmerlein vor sich hinzutüfteln, um dann am Ende bei einem großen Review zu erfahren, dass der Kunde das ja gar nicht so wollte.
Einen regelmäßigen Check-up nach zwei Wochen gibt es auch für interne Belange. Am Ende jedes Sprints bekommen die Mitarbeiter:innen Gelegenheit, in einer „Retrospektive“ zu diskutieren, wie ihre Zusammenarbeit funktioniert hat: „Man fragt sich als Team: Was lief gut beim letzten Sprint? Was lief schlecht? Wie können wir es in Zukunft besser machen? Dass dafür regelmäßig Raum und Zeit gegeben wird, finde ich großartig. Überhaupt ist die gegenseitige Wertschätzung eines der elementarsten Prinzipien im agilen Arbeiten“, unterstreicht Nilüfer Cetinkaya. „Ich sage immer: Die Retrospektive ist die Quality Time für das Team. Und sie bringt die Zusammenarbeit des Teams wirklich voran. Denn nur wenn wir offen kommunizieren oder Probleme transparent machen, können wir effektiver zusammenarbeiten.“
Insgesamt 15 Mitarbeiter:innen aus den eigenen Reihen hat ista zu Agile Team Coaches ausgebildet. So können sie ihre Erfahrung mit dem Unternehmen einbringen und zusammen mit ihren Kolleg:innen in die neuen Arbeitsformen hineinwachsen. Das Tempo, mit dem der Wandel bei ista vor sich ging, hat Khatereh Tadj beeindruckt. Rund 500 Mitarbeiter:innen in 40 Teams wechselten auf einen Schlag in die agile Struktur: ein Großteil der Belegschaft im Head Office. „In dieser Schnelligkeit und in so einer Größenordnung hatte ich das noch nicht erlebt“, sagt sie, „diese Herausforderung hat mich gereizt.“ Bevor sie im Mai 2022 bei ista anfing, arbeitete sie mehrere Jahre freiberuflich als Agile Consultant. Aus ihrer Beratungstätigkeit bei zahlreichen anderen Firmen weiß sie, was zählt, wenn tiefgreifende Veränderungen anstehen, und kennt auch die typischen Schmerzpunkte in solchen Prozessen.
„Veränderung tut immer weh, egal ob ein Unternehmen groß oder klein ist“, hat Khatereh Tadj beobachtet. „Die Einführung agiler Arbeitsweisen ist eine Reise, und die ist strubbelig, die hat Höhen und Tiefen.“ Gerade die Veränderung von Rollen und Hierarchien könne auch zu Frust und Unverständnis führen. Zum Beispiel, wenn ein:e Abteilungsleiter:in zum „Product Owner“ wird: „Dieser ist zwar für das Produkt verantwortlich, hat aber keine disziplinarische Verantwortung. Das bedeutet, er oder sie kann das "WAS” vorgeben, aber über das „WIE“, die Art und Weise der Umsetzung, entscheidet das Team selbst.“ Dass davon alle profitieren können, will mit Fingerspitzengefühl vermittelt sein. „Es geht viel um Loslassen und Vertrauen“, sagt Khatereh Tadj.
Dass agiles Arbeiten sich schlecht mit dem Anspruch verträgt, alle Fäden alleine in der Hand zu behalten, bestätigt auch Nilüfer Cetinkaya: „Das Scrum Framework ist nichts für Mikro-Manager, die genau vorgeben wollen, wie das Ziel erreicht werden soll. So jemand würde in diesem Rahmen gar nicht zurechtkommen, denn der Weg zum Ziel, wird immer vom Team bestimmt.“ Doch genau darin stecke für alle eine Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln und über sich hinaus zu wachsen. Für sich selbst zieht Nilüfer Cetinkaya eine positive Bilanz: „Heute bin ich sehr froh, dass ich den Schritt in ein neues Arbeitsfeld gewagt habe.“